Mein Beitrag im neuen Sammelband „Der Kommunikationshappen“ – und warum Du dieses Buch lesen solltest
Ich freue mich sehr, dass ich als Gesprächspartnerin zum Thema „Kommunikation in Trauer- und Krisenzeiten: Wie wir Sprachlosigkeit überwinden und wieder ins Gespräch kommen“ für den neuen Sammelband „Der Kommunikationshappen“ von Jana Assauer & Mona Schnell meinen Beitrag leisten durfte. In diesem Buch findest Du geballtes Wissen, inspirierende Erfahrungsberichte und praktische Hilfestellungen von 13 Kommunikations-Expert:innen aus unterschiedlichsten Bereichen der Kommunikation.
Manchmal ist man einfach sprachlos
Plötzliche und unerwartete Krisen wie der Tod einer nahestehenden Person, eine schwere Erkrankung, Trennungen oder ein unvorhergesehener Jobverlust stellen unser Leben auf den Kopf. Solche Ereignisse führen häufig zu einer Art Schockstarre, in der wir nicht wissen, was wir sagen sollen. Dahinter steckt meist Hilflosigkeit – und damit aus Hilflosigkeit keine dauerhafte Sprachlosigkeit wird, braucht es andere Regeln der Kommunikation, als wir es kennen. Vor allem für das Umfeld. Sonst droht, dass Menschen sich immer mehr zurückziehen und die Verbindung irgendwann ganz abbricht.
Wissenschaftliche Studien, wie etwa von Baumeister, Bengel und Brähler (2004), belegen, dass viele Trauernde erleben, wie sich ihr soziales Umfeld nach einem schweren Verlust aus Unsicherheit zurückzieht und Gespräche meidet. Diese daraus entstehende Sprachlosigkeit erschwert den Trauerprozess zusätzlich: Sie verstärkt das Gefühl der Isolation und verhindert oft, dass Betroffene die dringend benötigte Unterstützung erhalten. Gerade in akuten Trauer- oder Krisensituationen fühlen sich viele Menschen sprachlich allein gelassen – ausgerechnet dann, wenn Worte und Austausch so wichtig wären. Diese Sprachlosigkeit ist nicht nur für die Betroffenen belastend, sondern auch für diejenigen, die helfen möchten und sich selbst hilflos fühlen. Alle sind irgendwie in irgendeiner Form betroffen.
Was im Alltag hilft – und warum Krisenkommunikation anders ist
Im Alltag funktioniert Kommunikation meist nach klaren Prinzipien: Wir bringen unsere Persönlichkeit, unsere Werte und Motive ins Gespräch ein, suchen Lösungen und wollen verstanden werden. Doch in Krisenzeiten gelten andere Gesetze. Hier sind Empathie, Authentizität und das Aushalten von Unsicherheit gefragt.
Unsere Persönlichkeit ist wie eine Zwiebel: vielschichtig und individuell. Jeder Mensch bringt seine eigenen Werte, Motive und Erfahrungen in Gespräche ein. Das bedeutet auch, dass es nicht den einen Tipp gibt, der in jeder Situation funktioniert. Je stärker mein Wertesystem mit dem meines Gegenübers übereinstimmt, desto eher verstehen wir uns. Doch auch wenn das nicht der Fall ist, hilft es, sich selbst und die eigenen Motive zu kennen – Was motiviert mich wirklich (es sind nicht immer Sport oder Menschen) oder durch Selbstreflexion: Was gibt mir Kraft, was raubt sie mir?
Ein wichtiger Punkt ist die Rollenklärung: In welcher Funktion spreche ich gerade? Als Freund:in, Kolleg:in, Führungskraft oder Angehörige:r? Diese Klarheit hilft, Missverständnisse zu vermeiden und Gespräche zielgerichtet zu führen.
Kommunikation in der Krise: Was Betroffenen wirklich hilft
In Krisensituationen wollen viele Betroffene gar nicht über das eigentliche Thema sprechen. Das widerspricht dem, was wir über gute Kommunikation gelernt haben. Schon der Einstieg ins Gespräch ist oft schwierig: Formulierungen wie „Mein Beileid“ werden als zu einstudiert empfunden, sind aber durch ihre Ritualisierung trotzdem hilfreich. Wenn du gar nicht weißt, was du sagen sollst, ist es sinnvoll, genau das ehrlich zu kommunizieren. Je authentischer wir als Nicht-Betroffene sind, desto hilfreicher ist es für den anderen.
Auch das Teilen eigener Erfahrungen kann Verbundenheit schaffen, auch wenn man den individuellen Schmerz nicht nehmen kann. Trauer ist kein reines Gefühl, sondern ein komplexer neurobiologischer Prozess. Verschiedene Hirnregionen interagieren, um Verlust zu verarbeiten. Interessanterweise ähneln die Aktivitätsmuster im Gehirn während der Trauer denen, die bei Suchtverhalten beobachtet werden. Das erklärt, warum Trauernde oft das Gefühl haben, „nicht loslassen“ zu können.
Die wichtigste Regel: Die Bedürfnisse des Menschen in der Krise stehen im Vordergrund. Proaktiv immer wieder Gesprächsangebote oder andere Kommunikationsangebote machen – auch wenn der andere sich nicht öffnet. Viele Betroffene wissen auf ein einfaches „Wie geht es dir?“ keine Antwort. Klassische Gesprächstherapien sind daher nicht immer der richtige Ansatz.
Neue Wege ins Gespräch: Praktische Ansätze
Zum Glück gibt es andere Möglichkeiten, in Kontakt zu kommen:
- Musik: Gemeinsam Musik hören oder darüber sprechen, ohne das eigentliche Thema direkt anzurühren.
- Bewegung: Tanztherapie, Bewegung in der Natur oder Sport können helfen, Gefühle auszudrücken und Stress abzubauen.
- Bibliotherapie: Gedanken und Gefühle aufschreiben kann befreiend sein und neue Gespräche ermöglichen.
Es gibt kein Patentrezept für „richtiges Trauern“. Wer gerne schreibt, sollte schreiben. Wer tanzt, sollte tanzen. Wer draußen Kraft schöpft, sollte in die Natur gehen. Und wer reden möchte, soll reden. Wichtig ist, dass das Umfeld wahrnimmt, was der einzelne Mensch gerade braucht, und konkrete Angebote macht: „Darf ich dir eine Suppe kochen?“, „Soll ich Musik anmachen?“ – statt „Melde dich, wenn du was brauchst.“
Struktur und kleine Rituale geben Halt
In der ersten Phase nach einem Verlust oder einer Diagnose hilft es, Aufgaben zu haben: Organisieren, planen, handeln. Diese „Traueraufgaben“ geben Struktur und helfen, den Tag zu bewältigen. Erst wenn diese Aufgaben erledigt sind, beginnt die eigentliche Auseinandersetzung mit dem Verlust – und damit oft auch der schwierigste Teil der Kommunikation: das Reden über das, was bleibt.
Fazit: Kommunikation in Trauer- und Krisenzeiten ist herausfordernd, aber möglich. Es braucht Empathie, Authentizität und manchmal auch den Mut, einfach zuzuhören oder gemeinsam zu schweigen. Mein Beitrag im Sammelband „Der Kommunikationshappen“ gibt Dir konkrete Einblicke, wie wir in Ausnahmesituationen wieder ins Gespräch kommen können – und warum echte, menschliche Kommunikation so wichtig ist.
Das Buch bietet darüber hinaus viele weitere praxisnahe und inspirierende Beiträge anderer Kommunikationsexperten:innen, von Pressearbeit über Social Media bis hin zu Führung und Selbstreflexion. Ein echtes Praxisbuch – und ein Mutmacher für alle, die in schweren Zeiten nicht sprachlos bleiben wollen.
Der Kommunikationshappen erscheint am 1. September 2025 im Verlag Montagshappen, 252 Seiten, 21*21cm, Hardcover € 29,99, ISBN: 978-3-98640-030-9, erhältlich überall im Buchhandel und online.