Vom Neubeginn über digitale Nachlässe bis hin zur Künstlichen Intelligenz

von | 26 Mai 2025 | KOMMUNIKATION, PSYCHOLOGIE, RESILIENZ, TRAUERARBEIT

Während wir im Mai das Leben feiern, ist es auch ein passender Moment, über Vergänglichkeit nachzudenken – nicht nur im physischen, sondern auch über unsere digitale Existenz im digitalen Raum.

Der digitale Fußabdruck: Ein zweites Leben?

Wir alle hinterlassen heute unzählige digitale Spuren[1]: Fotos in der Cloud, Profile in sozialen Netzwerken, E-Mails und Nachrichten, Blogs und Kommentare, Streaming-Accounts, Online-Banking und vieles mehr. Aber was passiert eigentlich mit unseren Daten, wenn wir einmal nicht mehr da sein werden? Denn diese Daten existieren oft weiter, wenn unser physisches Leben endet. Eine Studie von 2019 zeigte bereits auf, dass allein auf Facebook bis 2070 mehr tote als lebende Nutzerprofile existieren könnten.[2] Dieser „digitale Nachlass“ wirft neue ethische, rechtliche und emotionale Fragen auf.

Ein Beispiel, das vielleicht manche schon erlebt haben…

Ich likte einen Beitrag bei Facebook bzw. Meta und plötzlich poppte die Erinnerung an den Geburtstag einer vor zehn Jahren verstorbenen alten Freundin auf. Warum auch immer wurde der Account nicht längst gelöscht? Es fühlte sich in jedem Fall befremdlich an und warf die Frage bei mir auf, warum die Verwandten ihn nach all den Jahren nicht gelöscht haben. Vermutlich, weil sie es gar nicht wissen oder es in Vergessenheit geraten ist. Aus diesem Grund möchte ich dies zum Anlass nehmen, die digitale Nachlassplanung in unser Bewusstsein zu rücken.

Digitale Nachlassplanung: Ein Akt der Fürsorge

Wie wir für materielle Güter vorsorgen, wird es immer wichtiger, auch den digitalen Nachlass zu regeln. Laut einer Bitkom-Studie von 2023[3] haben jedoch nur ein Drittel der Deutschen ihren digitalen Nachlass geregelt. Dabei ist dies nach meiner Einschätzung ein notwendiger Akt der Fürsorge für die Hinterbliebenen, die sonst mit rechtlichen und emotionalen Herausforderungen konfrontiert werden.

Wichtige Erkenntnisse als Leitplanken

  • Emotionale Belastung: Fachleute betonen, dass unregulierte digitale Nachlässe für Angehörige eine zusätzliche emotionale Last bedeuten könnten.[4]
  • Rechtliche Unsicherheiten: Die Rechtslage ist komplex und variiert je nach Land und Plattform. Der BGH entschied 2018, dass digitale Inhalte wie Briefe vererbbar sind.
  • Plattformlösungen: Immer mehr Anbieter bieten Funktionen zur Nachlassregelung, etwa Facebooks „Nachlasskontakt“ oder Googles „Inactive Account Manager“.[5]

Künstliche Intelligenz: Der digitale Nachlass bekommt eine neue Dimension

Mit dem Einzug von Künstlicher Intelligenz bekommt das Thema digitale Nachlässe eine weitere, neue Dimension. KI kann aus unseren Daten digitale Avatare, Chatbots oder sogar „sprechende“ Erinnerungen („Grieftech“) erschaffen. Unternehmen arbeiten bereits an solchen Lösungen, bei denen Angehörige mit einer Simulation des Verstorbenen interagieren können.

Die zentrale Frage für mich lautet: Möchte ich digital weiterleben oder nicht – und wenn ja, in welcher Form?

Die bewusste Entscheidung für digitale Vergänglichkeit oder digitale Unsterblichkeit ist ein Akt der Selbstbestimmung. Viele Menschen wünschen sich, die Kontrolle über ihr digitales Erbe zu behalten – und ich bin der Meinung, das gilt auch für KI-generierte Abbilder. Ich finde, es braucht klare Regeln, einen sensiblen Umgang und vor allem die Freiheit, selbst zu entscheiden, ob und wie solche KI-Technologien genutzt werden. Als Trauerbegleiterin ist es mir wichtig, Menschen auf diesem Weg zu unterstützen – mit Offenheit für Neues, aber auch mit Respekt vor den Grenzen der Trauernden und der Würde der Verstorbenen.

Fazit: Digitale Erneuerung als Teil des Lebenskreislaufs

So wie der Mai die Natur erneuert, können wir auch unseren Umgang mit der digitalen Welt bewusst gestalten. Die Planung des digitalen Nachlasses – heute auch im Hinblick auf KI – ist Teil dieser Verantwortung. Indem wir aktiv vorsorgen, erleichtern wir unseren Zugehörigen den Umgang mit unserem digitalen Erbe und entscheiden selbst, welche Spuren wir hinterlassen möchten. Der Mai macht alles neu – vielleicht ist es an der Zeit, auch unseren Umgang mit der digitalen Ewigkeit und den neuen Möglichkeiten der KI mitzudenken!


Digitaler Fußabdruck: Definition, Test und Maßnahmen, 23. Januar 2025

[2] Fragen zum virtuellen Erbe: Facebook könnte 2070 mehr Tote als lebende Nutzer haben | ZEIT ONLINE; 30. April 2019.

[3] Nur ein Drittel kümmert sich um den eigenen digitalen Nachlass | Presseinformation | Bitkom e. V., 23.10.2023.

[4] Expertin über Tod in sozialen Medien: „Trauer braucht keine smarte Lösung“ | taz.de; 12.3.2024.

[5] Siehe: Das richtige Urteil: Der BGH zum digitalen Nachlass – NWB Zeitschriften

Anke Nennstiel

Anke Nennstiel

Mein Plog und Podcast ist ein Herzensprojekt von mir. Und wie Sie sich sicher denken können, gab es in meinem Leben mindestens einen großen Wendepunkt. Er hat mich nach 20 Jahren Managementerfahrung bei RTL-Television letztendlich hierhin geführt. Ihm verdanke ich das wunderbare Leben, dass ich heute führe. Ich unterstütze Menschen leidenschaftlich gerne dabei, ihre eigenen Wendepunkte – ob freiwillige oder unfreiwillige – für sich zu nutzen.

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