Was treibt uns eigentlich so sehr an, nach Perfektion zu streben? Dieses Thema schwebt im Berufsalltag oft wie ein omnipräsentes Damoklesschwert über uns. Denn wo Perfektionismus anfängt, hört der Spaß auf. Oft bringen wir Höchstleistungen, um das Bestmögliche zu erreichen. Doch wann ist eigentlich genug? Wann sollten wir damit aufhören? Diese gefährliche Selbstausbeutung schadet unserer eigenen Entwicklung und macht erwiesenermaßen langfristig krank. Also setzen wir uns am besten unbedingt damit auseinander, welche Ursachen Perfektionismus unterschwellig begünstigen und wie wir aus dieser ungesunden Gemengelage austreten können. Wir müssen lernen, wie mit Druck und Zwängen besser umzugehen ist und welche Denkfallen eigentlich dahinterstecken, damit der kontraproduktive Karriereturbo einen Gang zurückgeschaltet werden kann.
Selbstakzeptanz als Schlüssel
Damit wir uns nicht missverstehen, natürlich ist es durchaus erstrebenswert, Perfektes leisten zu wollen. Das Streben nach Vollkommenheit ist tief in uns verankert. Doch der maßvolle Umgang damit ist die Kunst im Umgang eines lebenswerten Arbeitsalltages. In seinen Studien hat Psychologe J. Scott herausgefunden, dass es einen Zusammenhang zwischen Perfektionismus und geringer Selbstakzeptanz gibt. Wollen wir Dr. J. Scott Glauben schenken, ist dies ein guter Hebel sich einmal zu fragen, was wir an uns eigentlich nicht so mögen? Denn die Auseinandersetzung mit uns selbst, ist der Schlüssel um ungeliebte Gewohnheiten zu durchbrechen.
Ich persönlich finde, den Mut zu haben auch mal nicht perfekt sein zu dürfen im Sinne, von Zerstreutheit zum Beispiel prinzipiell sehr charmant. Es macht uns authentischer und fühlbarer im sozialen und menschlichen Miteinander. Der Hang robotergleich zu sein, ist nicht wirklich erstrebenswert, denke ich.
Ohne Fleiß keine Preis
Was können wir also tun, wenn wir merken, dass wir in Projekten länger verharren, als uns gut tut? Was tun, wenn wir in die Denkfalle tappen, das nur eine wasserdichte Entscheidung die richtige Entscheidung ist. Der Motivator der dahinter steckt ist häufig die Angst. Angst schlimmes zu verhindern oder sogar sichtbar werden zu lassen. Darum strengen wir uns an, um das unbewusst zu verhindern. Wer immer große Anstrengungen lebt, der lebt oft unbewusst eine Untugend. „Nur wer etwas leistet, ist gut genug“, „Ohne Fleiß keinen Preis“, um nur einige Glaubenssätze, die dahinter stecken, nicht unerwähnt zu lassen. Haben wir diese erst einmal verinnerlicht wird es sehr schwierig, diese wieder aufzulösen. Die gute Nachricht: Man kann diesen Irrglauben auch wieder auflösen.
Das ist doch alles ganz normal
Perfektionisten machen häufig als 150%, der Spagat zwischen Beruf und Familie hat schon so manche Mama oder Papa an den Rand der Überforderung getrieben- einschließlich mir selbst. Niemand kann langfristig das perfekte Familienleben und die perfekte Karriereleiter besteigen. Irgendwo müssen wir da Kompromisse machen, um uns in diesem Spagat nicht zu verlieren. Dabei ist eine Grundregel erst mal ganz wichtig: Anzuerkennen, für das was man da eigentlich leistet. Und zwar nicht durch Außen eingefordert oder erwartet, sondern durch uns selbst. Diese Würdigung hilft, uns vom Lob der Anderen zu emanzipieren. Und langfristig unsere Denkfallen alles perfekt machen zu wollen zu würdigen.Ganz wichtig, Eigenlob laut aussprechen. Am besten täglich, um ein gutes Gefühl langfristig aufzubauen.
Delegieren will gelernt sein
Der hohe Anspruch an uns selbst verleitet uns oft nicht nein sagen zu können. Dementsprechend ist das Aufgabengebiet dadurch auch höher. Eine gute Übung ist daher, einige Dinge direkt an andere zu delegieren. Dadurch lernen wir das wir nicht die einzigen sind, die Aufgaben übernehmen können. Für das Team Building an sich sowieso eine wunderbare Methode zu prüfen, wer macht was, wann und nach seinen Fähigkeiten und Neigungen? Wer einmal mit perfektionistischen Menschen gearbeitet hat, weiß das das auf Dauer demotiviert, da die Anspruchshaltung des Perfektionisten auf jeden einzelnen Mitarbeiter unbewusst übertragen wird. Selbstredend ist natürlich niemand gut genug, außer der Perfektionist selbst. Die Folge sind oft innere Kündigungen der Mitarbeiter und große Unzufriedenheit des Perfektionisten. Falls Sie das bemerken sollten, so suchen Sie das Gespräch. Nicht mit der Absicht ihren Gesprächspartner zu korrigieren, sondern Ihn darauf hinzuweisen, wo ihre persönlichen Grenzen sind. Nur so hat der andere überhaupt die Möglichkeit seine Grenzen kennenzulernen. Die Übung: Was bin ich bereit einzubringen und was nicht? kann in diesem Zusammenhang sehr wichtig sein.
Mrs. oder Mr. Perfekt?
Und neigen Sie zum Perfektionisten? So beantworten sie doch einmal folgende Fragen mit ja oder nein, um dies für Sie sichtbarer zu machen.
- Ich empfinde es als Versagen, eine durchschnittliche Leistung zu bringen.
- Als Kind musste ich funktionieren.
- Mir ist wichtig , vor anderen gut dazustehen.
- Ich verurteile mich gerne auch für kleine Fehler.
- Von anderen Menschen erwarte ich das sie so handeln, wie ich handeln würde, sonst bin ich enttäuscht.
- Wenn ich mich mit anderen vergleiche, schneide ich regelmäßig schlechter ab.
- Anderen Menschen fällt es schwer, es mir recht zu machen.
- Kleine Missgeschicke beschäftigen mich tagelang.
- Meine Eltern haben hohe Anforderungen an mich gestellt.
- Aufgaben an andere zu delegieren, fällt mir schwer. Lieber arbeite ich noch länger, bis es sich gut anfühlt.
- Kritisieren andere meine Arbeit, fühle ich mich schnell persönlich angegriffen.
- Ich fokussiere mich eher auf meine Misserfolge. Meine Erfolge sind mir nicht so wichtig.
- Eine perfekte Leistung ist möglich. Man muss sich eben nur genug anstrengen.
- Entscheidungen wollen wohl überlegt sein. Daher brauche ich eher länger dafür.
- Wenn ich schlechte Leistungen bringe, lehnen mich andere ab.
Wie oft haben Sie ja gesagt? Alles was Sie über die 5 x ja Grenze bringt, geht in die tendenzielle Richtung einer perfektionistischen Veranlagung. Wobei wir durchaus unterscheiden müssen, wieviel Perfektionismus noch gesund ist? Disziplin, Ordnung und Zielsetzung mögen von Perfektionisten sicherlich bevorzugt angestrebt werden.
Dennoch kommt es hierbei auf die Dosierung an. Alles im Bewegungsradius um die 70% ist dabei durchaus noch vertretbar. Versuchen Sie einmal bewusst, die Messlatte herunter zulegen. Wer das kurzfristig übt, wird langfristig entspannter im Umgang mit seinen Projekten.
Perfektionismus als Zeitgeist Phänomen
Werbung und Medien suggerieren, dass wir glücklicher, zufriedener und erfolgreicher sind, wenn wir perfekt sind.
Dies zu erkennen und wie sehr uns das beeinflusst gilt es zu hinterfragen. Daher ist es wichtig sich selbst zu hinterfragen, ob wir schon zwanghaft sind und mehr Zeit mit Listen, Regeln, Ordnung, Organisation und Planung beschäftigen oder einfach mal den Mut haben die Fertigstellung von Aufgaben zu vertagen. Der Mut zum Scheitern ist quasi der Schlüssel für langfristige Entspanntheit. Sicherlich helfen Entspannungsmethoden unterstützend auch, aber die Einsicht das 70 % der Leistung uns auch weiterbringt, kann beflügeln. Wir wissen, dass das dauernde Streben nach Perfektionismus krank macht, ob Burnout, Sucht, Essstörungen oder andere Verhaltensauffälligkeiten- wir sollten uns auf uns besinnen und immer wieder der Frage nachgehen, welche Gründe und Ursachen hinter unserem Verhalten liegen. Dazu gibt es viele Hilfsangebote der Städte und Gemeinden, karitative Einrichtungen mit exzellenten Mitarbeitern, spezialisierte Ärzte und ausgebildete Therapeuten, die das mit uns herausfinden können.
Es gibt keine Patentrezepte, aber Wege raus aus dem Perfektionismus Wahn hin zur Selbstannahme und Selbstakzeptanz. Wo steht denn auch geschrieben, das wir keine Fehler machen dürfen. NIRGENDS!
Hören Sie auch gerne dazu unsere neue Wendepunkt Coachcast Folge 32 zu diesem Thema. Mit Imagefilm Musik: Walking on Air von Frametraxx